Rohrleitungen im Estrich sind „freiliegend“?

Rohrleitungen im Estrich sind nicht „freiliegend“!

LG Köln, Urteil vom 25.01.2018 – 29 S 163/16:

1. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkostenV kann in Gebäuden, in denen die freiliegenden Leitungen der Wärmeverteilung überwiegend ungedämmt sind und deswegen ein wesentlicher Anteil des Wärmeverbrauchs nicht erfasst wird, der Wärmeverbrauch der Nutzer nach anerkannten Regeln der Technik bestimmt werden (hier: VDI-Richtlinie).
2. „Freiliegend“ sind nach den Verordnungsmaterialien auf der Wand verlaufende und damit sichtbare Wärmeleitungen, jedoch keine Rohrleitungen, die innerhalb der Wohnungen im Estrich verlaufen.
3. Wurden die Heizkosten fehlerhaft nach der VDI-Richtlinie festgelegt, widerspricht der Beschluss über die Jahresabrechnung ordnungsgemäßer Verwaltung.
4. Die fehlerhafte Abrechnung der Heiz- und Warmwasserkosten in der Jahresabrechnung hat keinen Einfluss auf den Verbrauch insgesamt und die zu verteilenden Kosten; insofern entspricht die Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan anhand dem sich aus der (falschen) Jahresabrechnung ergebenden Wert, ordnungsgemäßer Verwaltung.

Entscheidung

Nur in Bezug auf den Wirtschaftsplan mit Erfolg. Der von der Kammer beauftragte Sachverständige kam zum Ergebnis, dass die Kriterien der VDI-Richtlinie 2077 eingehalten seien. Allerdings seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkostenV nicht gegeben. Diese Bestimmung setzt voraus, dass es sich um freiliegende Leitungen handeln muss. Eine analoge Anwendung von § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkostenV für den Fall, dass es sich um ungedämmte Leitungen handelt, die unter dem Estrich verlaufen, wird – mangels planwidriger Regelungslücke – abgelehnt. Hierzu kann sich das Landgericht auf entsprechende Entscheidungen des BGH und mehrerer Instanzgerichte stützen. Da beim Beschluss über den Wirtschaftsplan nur die voraussichtlichen Kosten der Gemeinschaft im Kalenderjahr vorab zu verteilen sind, war die Berufung erfolgreich. Abschließend wird über die Kosten erst in der Jahresabrechnung entschieden. Die Schätzung für die Gesamtkosten war nicht angegriffen.
Die Beschlussfassung zur Jahresabrechnung 2014 betreffend die Kostenposition -Heizkosten – widerspricht ordnungsgemäßer Verwaltung. Die Entscheidung des Amtsgerichts ist zutreffend. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkostenV kann in Gebäuden, in denen die freiliegenden Leitungen der Wärmeverteilung überwiegend ungedämmt sind und deswegen ein wesentlicher Anteil des Wärmeverbrauchs nicht erfasst wird, der Wärmeverbrauch der Nutzer nach anerkannten Regeln der Technik bestimmt werden. Solche Regeln enthält das Beiblatt „Verfahren zur Berücksichtigung der Rohrwärmeabgabe“ der VDI-Richtlinie 2077.
Nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. Ing. P sind die dort genannten Kriterien

  • Verbrauchswärmeanteil > 0,34
  • Standardabweichung der normierten Verbrauchswert >0,85
  • Anteil der Niedrigverbraucher < 15%

erfüllt.
Jedoch sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkostenV, die für eine Heranziehung der allgemein anerkannten Regeln der Technik erforderlich sind, im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Die Rohrleitungen der Wärmeverteilung in dem Gebäude, in dem sich die Wohnung der Klägerin befindet, sind nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. Ing. P, denen die Kammer folgt und gegen die Parteien nichts eingewandt haben – anders als von § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkostenV gefordert – nicht freiliegend. Die Ringleitungen verlaufen innerhalb der Wohnung im Estrich. „Freiliegend“ sind nach den Verordnungsmaterialien auf der Wand verlaufende und damit sichtbare Wärmeleitungen (Verordnung zur Änderung der Verordnung über Heizkostenabrechnung).
Der BGH lehnt in seiner Entscheidung vom 15.3.2017 – VIII ZR 5/16 – die in der Rechtsprechung (vgl. LG Dresden MDR 2016,454; LG Ellwangen, WuM 2016, 497; LG Landau, WuM 2015, 432; AG Emmendingen, WuM 2014, 727) vertretene Ansicht, dass eine analoge Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkostenV in Betracht komme, wenn überwiegend ungedämmte Leitungen der Wärmeverteilung unter Putz beziehungsweise im Estrich verlegt sind, ab. Die Kammer folgt den überzeugenden Ausführungen des BGH, wonach eine Erstreckung des Anwendungsbereichs des § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkostenV auf überwiegend ungedämmte, aber nicht freiliegende Leitungen der Wärmeverteilung nicht in Betracht kommt, weil es bereits an einer planwidrigen Reglungslücke fehlt, die überhaupt erst die Möglichkeit einer solchen Ausdehnung über den Wortlaut hinaus im Wege eines Analogieschlusses eröffnen könnte. Der BGH hat dazu ausgeführt, dass nach den Verordnungsmaterialien § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkostenV die Möglichkeit, Kostenverschiebungen nach anerkannten Regeln der Technik auszugleichen, nur bei „auf der Wand verlaufenden Rohrleitungen“ eröffnen sollte.

Der in der Verordnungsbegründung gegebene Hinweis auf das Beiblatt „Rohrwärme“ der VDI-Richtlinie 2077, in dem darauf hingewiesen werde, dass es technisch unerheblich sei, ob Rohrleitungen freiliegend oder nicht sichtbar im Estrich beziehungsweise unter Putz geführt werden, stehe der Annahme entgegen, dass der Verordnungsgeber es übersehen habe, dass es nicht nur freiliegende, sondern auch nicht sichtbar im Estrich beziehungsweise unter Putz geführte Rohrleitungen gibt und deren Wärmeabgabe ebenfalls technisch ermittelt werden könne.
Im Hinblick auf die Fehlerhaftigkeit der Jahresabrechnung 2014 in Bezug auf die Kostenposition – Heizung – widersprechen die Beschlussfassungen zur Entlastung der Verwalterin und des Beirates ordnungsgemäßer Verwaltung.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts erstreckt sich die Fehlerhaftigkeit der Jahresabrechnung 2014 in Bezug auf die Positionen Heizkosten und Warmwasser nicht auf den Wirtschaftsplan 2014.
Die Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan 2016 entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung, denn der Wirtschaftsplan hat im Wesentlichen nur das Ziel, die voraussichtlichen Kosten der Eigentümergemeinschaft im Kalenderjahr zu schätzen und hiermit korrespondierend die Beiträge der Wohnungseigentümer zur Deckung dieser Kosten festzulegen (vgl. Jennißen-Jennißen, WEG, § 28 Rn.37a). Die fehlerhafte Abrechnung der Heizkosten und Warmwasserkosten in der Jahresabrechnung 2014 hat keinen Einfluss auf den Verbrauch insgesamt und die zu verteilenden Kosten. Die endgültige Zuordnung der Kosten erfolgt in der Jahresabrechnung, so dass die Klägerin durch den Verteilungsmaßstab – Festbetrag 1.084,27 Euro- , der sich an den tatsächlichen Kosten orientiert, nicht beschwert ist. Dass die Kostenschätzung der Gesamtkosten für Heizung/Warmwasser mit 100.000.00 Euro deutlich zu niedrig oder zu hoch ist, hat die Klägerin ebenfalls nicht dargelegt.
HeizkostenV § 7 Abs. 1 Satz 3;
§ 7 Verteilung der Kosten der Versorgung mit Wärme
(1) Von den Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage sind mindestens 50 vom Hundert, höchstens 70 vom Hundert nach dem erfaßten Wärmeverbrauch der Nutzer zu verteilen. In Gebäuden, die das Anforderungsniveau der Wärmeschutzverordnung vom 16. August 1994 (BGBl.I S. 2121) nicht erfüllen, die mit einer Öl-oder Gasheizung versorgt werden und in denen die freiliegenden Leitungen der Wärmeverteilung überwiegend gedämmt sind, sind von den Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage 70 von Hundert nach dem erfassten Wärmeverbrauch der Nutzer zu verteilen. In Gebäuden, in denen die freiliegenden Leitungen der Wärmeverteilung überwiegend ungedämmt sind und deswegen ein wesentlicher Anteil des Wärmeverbrauchs nicht erfasst wird, kann der Wärmeverbrauch der Nutzer nach anerkannten Regeln der Technik bestimmt werden. Der so bestimmte Verbrauch der einzelnen Nutzer wird als erfasster Wärmeverbrauch nach Satz 1 berücksichtigt. Die übrigen Kosten sind nach der Wohn- oder Nutzfläche oder nach dem umbauten Raum zu verteilen; es kann auch die Wohn- oder Nutzfläche oder der umbaute Raum der beheizten Räume zugrunde gelegt werden.“

In einer Eigentümerversammlung im Jahr 2015 wird u. a. über die Jahresabrechnung 2014 beschlossen. Die Kosten für Heizung und Warmwasser wurden unter Anwendung des Korrekturverfahrens gemäß der Richtlinie VDI 2077 verteilt. Anhand des sich hier ergebenden Werts wurden die Werte des Wirtschaftsplans für das Folgejahr (2016) ermittelt. Beide Beschlüsse werden vor dem Amtsgericht erfolgreich angefochten. Die Beklagten gehen in die Berufung.
§ 28 Wirtschaftsplan, Rechnungslegung

(1) Der Verwalter hat jeweils für ein Kalenderjahr einen Wirtschaftsplan aufzustellen. Der Wirtschaftsplan enthält:

1. die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums;

2. die anteilmäßige Verpflichtung der Wohnungseigentümer zur Lasten- und Kostentragung;

3. die Beitragsleistung der Wohnungseigentümer zu der in § 21 Abs. 5 Nr. 4 vorgesehenen Instandhaltungsrückstellung.

(2) Die Wohnungseigentümer sind verpflichtet, nach Abruf durch den Verwalter dem beschlossenen Wirtschaftsplan entsprechende Vorschüsse zu leisten.

(3) Der Verwalter hat nach Ablauf des Kalenderjahres eine Abrechnung aufzustellen.

(4) Die Wohnungseigentümer können durch Mehrheitsbeschluß jederzeit von dem Verwalter Rechnungslegung verlangen.

(5) Über den Wirtschaftsplan, die Abrechnung und die Rechnungslegung des Verwalters beschließen die Wohnungseigentümer durch Stimmenmehrheit.

Quelle: MRRS 2018, 0732Entscheidung im Volltext

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