LG Frankfurt/Main, Beschluss vom 24.09.2018 – 2-11 S 155/18 – ordentliche Kündigung
1. Auch Kinderlärm kann bei Verletzung des Rücksichtnahmegebots ein berechtigtes Interesse für eine ordentliche Kündigung begründen.
2. Es bedarf keines Lärmprotokolls. Es genügt die grundsätzliche Darlegung, welche Art von Beeinträchtigung zu welcher Tages- und Nachtzeit über welche Zeitdauer und Frequenz angefallen sind.
3. Eine abweichende Parteibewertung der vom Erstgericht erhobene Beweise reicht als Berufungsgrund (§§ 513, 529 Abs. 1 Satz 1 ZPO) nicht aus.
LG Frankfurt/Main, Beschluss vom 24.09.2018 – 2-11 S 155/18
BGB § 573; ZPO §§ 286, 513, 529
Problem/Sachverhalt
Die Parteien streiten über die wirksame Beendigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum. Wegen fortgesetzter, rücksichtsloser Lärmstörung zur Nachtzeit und an Wochenenden kündigte der Vermieter nach zwei mit jeweils exemplarisch unterlegtem Lärmprotokoll erfolgten Abmahnungen das mit den Mietern bestehende Mietverhältnis. Das Amtsgericht gab nach Zeugeneinvernahme der Räumungsklage statt. Da die vorgelegten Lärmprotokolle nach Meinung der beklagten Mieter unvollständig seien, legten diese gegen das klagestattgebende Räumungsurteil Berufung ein.
§ 573 Ordentliche Kündigung des Vermieters
„(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
1. der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat,
2. der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder
3. der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.
(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.
(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.“
Entscheidung
„Die Berufung bleibt ohne Erfolg, das Landgericht hält unter Hinweis auf die vom BGH am 22.08.2017 aufgestellten Grundsätze die Vorlage eines Lärmprotokolls für entbehrlich. Denn die grundsätzliche Darlegung, welche Art von Beeinträchtigung zu welcher Tages- und Nachtzeit über welche Zeitdauer und Frequenz angefallen sind, reicht aus (im Anschluss an BGH, IMR 2017, 389). Das Gericht kann sich bei seiner Entscheidungsfindung, dass die Lärmstörung nicht mehr sozialadäquat und daher nicht mehr hinzunehmen ist, im Rahmen von § 286 ZPO auch allein auf Zeugenaussagen stützen und ist an eventuelle Lärmprotokolle mit deren möglichen Fehlerquellen nicht gebunden. Eine nur abweichende Bewertung der vom Erstgericht ausgeschöpften Beweise reicht als Berufungsgrund i.S.v. §§ 513, 529 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht aus.
Die Hinnahme gelegentlich auftretenden Kinderlärms im Mehrfamilienhaus (§ 22 Abs. 1a BImSchG) stellt per se keinen Mangel dar (BGH, IMR 2012, 178); sie findet ihre Grenze in der Sozialadäquanz und im Rücksichtnahmegebot, § 241 Abs. 2 BGB. Wird das Ruhebedürfnis der Nachbarn durch nicht mehr hinnehmbare Geräuschemission an Feiertagen/Wochenenden und zu Nachtzeiten überschritten, reicht von seinem Kern her durch Zeugenbeweis dargelegtes Vorbringen für die Kündigung aus. Da die Frist für die ordentliche Kündigung im Prozess abgelaufen war, konnte sich die Kammer auf die Prüfung nach § 573 Abs. 2 Satz 2 BGB beschränken. Der Kerngehalt der BGH-Entscheidung vom 22.08.2017 – VIII ZR 226/16, Rz. 12 – 14, IMRRS 2017, 1271 ist hier durch Verwertung des klägerseits angebotenen Zeugenbeweises praktisch umgesetzt worden.“ so RA und FA für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Michael E. Freudenreich, Frankfurt a.M.
Quelle: IMR
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