Warmwasserkosten: Kann der Warmwasserverbrauch aufgrund des Fehlens geeichter Warmwasserzähler nicht im Wege der genauen Verbrauchsmessung ermittelt werden, ist eine Verteilung der Kosten auf der Grundlage einer Schätzung, ausgehend vom früher konkret ermittelten Verbrauch, uneingeschränkt vertretbar und mit Blick auf den Maßstab einer ordnungsgemäßen Verwaltung nicht zu beanstanden. (Rn. 57 und 63)
Tatbestand
1. Gegenstand des Verfahrens ist die Anfechtung von drei in der Eigentümerversammlung der WEG in München am 28.07.2022 gefassten Beschlüssen.
2. Der Kläger zu 1) ist als Eigentümer der Wohneinheit, der Kläger zu 2) als (gemeinsam mit seiner Ehefrau) Eigentümer mehrerer Wohnungen Teil der genannten Wohnungseigentümergemeinschaft.
3. Die Beklagte wird durch die verwaltet.
4. Auf der ordentlichen Eigentümerversammlung der Beklagten am 28.07.2022 wurden jeweils mit Stimmenmehrheit folgende Beschlüsse gefasst:
Top 5: Jahresabrechnung 2021:
Die Nachschüsse bzw. Anpassungen der beschlossenen Vorschüsse aus den Einzelabrechnungen für das Jahr 2021 vom 01.07.2022 (Druckdatum) werden genehmigt und fällig gestellt.
Der Einzug der Forderungen erfolgt zum 10.08.2022. Etwaige Guthaben der Eigentümer aufgrund Anpassung der beschlossenen Vorschüsse hat der Verwalter – sofern kein anderweitiger Rückstand besteht – zu diesem Termin auszukehren.
Top 6: Entlastung:
Der Verwaltungsbeirat wird für das vergangene Abrechnungsjahr 2021 in sachlicher und rechnerischer Hinsicht entlastet.
Top 14 b: Hausmeisterwohnung:
Die Eigentümergemeinschaft als wirtschaftliche Eigentümerin beschließt, die Hausmeisterwohnung „WE 01“ nach Durchführung notwendiger Reparaturarbeiten (Bodenerneuerung Wohnzimmer – Küche, Malerarbeiten, Einbau Türe u.a.) zu marktüblichen Konditionen zu vermieten.
Finanzierung: Die Finanzierung der Kosten „Wohnung WE 01“ -Erhaltungsaufwand erfolgt durch Einstellung in die Abrechnung. Die Umlage erfolgt nach dem bisherigen Schlüssel – siehe Abrechnung 2021.
5. Beide Kläger gehen von der Rechtswidrigkeit des Beschlusses zu TOP 14b) aus, da die Beklagte über die Hausmeisterwohnung und die Bestellung eines Hausmeisters nicht wie geschehen beschließen dürfe.
6. Der Kläger zu 1) greift darüber hinaus die zu TOP 5 und Top 6 gefassten Beschlüsse an.
7. Die Wohnungen in der Anlage der Beklagten wurden 1987 mit Warmwasserzählern ausgestattet. Die Warmwasserzähler wurden zuletzt 2013 ausgetauscht, die Eichfrist lief damit 2018 ab. Die damals beauftragte Hausverwaltung, die, heute firmierend als, unternahm keine Schritte bezüglich der anstehenden Nacheichung bzw. eines Austauschs der Warmwasserzähler, insbesondere wurde der Eigentümerversammlung der Beklagten kein entsprechender Beschlussvorschlag unterbreitet.
8. Dass die Warmwasserzähler nicht mehr geeicht sind, war der heutigen Verwalterin, der, bei Übernahme der Verwaltungstätigkeit zum 01.01.2020 nicht bekannt.
9. Aufgrund der pandemiebedingten Beschränkungen konnten ab diesem Zeitpunkt zunächst keine Eigentümerversammlungen abgehalten werden.
10. In der Einzelabrechnung 2021, die die Wohneinheit des Klägers zu 1) betrifft, ist für das Warmwasser aufgeführt, dass der für den Kläger zu 1) angesetzte Verbrauch nicht aus dem individuellen Verbrauch anhand der Warmwasserzähler errechnet sei, sondern auf einer Schätzung beruhe.
11. Der Kläger zu 1) ist der Auffassung, der zu TOP 5 gefasste Beschluss über die Jahresabrechnung 2021 sei für ungültig zu erklären, da die Abrechnung nicht den Abrechnungsschlüssel enthalte, der für die Wohnanlage zugrunde zu legen sei.
12. Die Jahresabrechnung und in Folge auch die Einzelabrechnung des Klägers zu 1) entsprächen nicht den Vorschriften der Heizkostenverordnung, die geeichte Wärmemengenzähler für Warmwasser vorschreibe, und sie entsprächen auch nicht den Gegebenheiten der Wohnanlage, da jede Wohnung mit Warmwasserzähler ausgestattet sei. Diese seien abzulesen und der Warmwasserabrechnung zugrunde zu legen. Die Verwaltung habe dafür zu sorgen hat, dass die Geräte turnusmäßig geeicht werden. Eine Schätzung des Verbrauchs entspreche nicht einer ordnungsgemäßen Abrechnung.
13. Damit sei auch der Beschluss zu TOP 6 für ungültig zu erklären:
14. Die Entlastung des Beirats, der auch für eine ordnungsgemäße Jahresabrechnung zu sorgen habe, könne nicht erteilt werden, da die Abrechnung ohne die Daten der Warmwasserzähler und den Verbrauch der einzelnen Wohneinheiten nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entspreche, die Jahresabrechnung sowie die Einzelabrechnungen nicht korrekt seien.
15. Der Kläger zu 1) beantragt,
die Beschlüsse der Eigentümerversammlung der Wohnungseigentumsgemeinschaft vom 28.07.2022 zu Top 5: Jahresabrechnung 2021:
Die Nachschüsse bzw. Anpassungen der beschlossenen Vorschüsse aus den Einzelabrechnungen für das Jahr 2021 vom 01.07.2022 (Druckdatum) werden genehmigt und fällig gestellt.
Der Einzug der Forderungen erfolgt zum 10.08.2022. Etwaige Guthaben der Eigentümer aufgrund Anpassung der beschlossenen Vorschüsse hat der Verwalter – sofern kein anderweitiger Rückstand besteht – zu diesem Termin auszukehren.
Top 6: Entlastung:
Der Verwaltungsbeirat wird für das vergangene Abrechnungsjahr 2021 in sachlicher und rechnerischer Hinsicht entlastet.
…
19. Die Beklagte wendet zu TOP 5 ein, ein Austausch der vorhandenen ungeeichten Wasserzähler gegen geeichte Geräte sei technisch nicht möglich, da die, die im Jahre 2013 den Austausch der Wasserzähler ausgeführt habe, nunmehr erkläre, dass sie einen weiteren Austausch der Wasserzähler ablehne. Dies geschehe mit der zutreffenden Begründung, dass das im Jahre 1967 verbaute Rohrleitungssystem, welches bis heute keiner Erneuerung oder sonstigen Ertüchtigung unterzogen wurde, so marode sei, dass im Falle des Versuchs, die vor rund 10 Jahren installierten Wasserzähler zu demontieren, unweigerlich mit Rohrbrüchen und entsprechenden massiven Wasserschäden zu rechnen sei.
20. Dies habe die heutige Hausverwalterin zum Anlass genommen, den Zustand der zentralen Heizungs- und Warmwasserversorgungsanlage nebst des gesamten Rohrleitungssystems sachverständigenseits untersuchen zu lassen.
21. Der Sachverständige Dipl.-Ing. komme in dem den Eigentümern mit dem Ladungsschreiben zur streitgegenständlichen Eigentümerversammlung übersandten Stellungnahme vom 20.05.2022 zu dem Ergebnis, dass neben der kompletten Heiz- und Warmwassertechnik eine umgehende Erneuerung auch des gesamten Rohrleitungssystems für Kalt- und Warmwasser notwendig sei.
22. Dementsprechend sei zu TOP 10a der streitgegenständlichen Eigentümerversammlung die Vergabe des Planungsauftrags an den Sachverständigen betreffend die komplette Erneuerung der Heizungs- und Warmwassererzeugungsanlage sowie zu TOP 10b die Vergabe des Planungsauftrags an den Sachverständigen betreffend die komplette Erneuerung des Kalt- und Warmwassersystems beschlossen worden.
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Auch die, München, sei um ein Angebot zum Austausch der Warmwasserzähler gebeten worden.
24
Aus dem seitens des Unternehmens vorgelegtem Angebot gehe gleichlautend mit den Feststellungen der ausdrücklich hervor, dass das vorhandene Warm- und Kaltwasserleitungssystem aus dem Jahre 1967 sich in sehr schlechtem Zustand befinde und jeder Eingriff z.B. durch einen Zähleraustausch erfahrungsgemäß die Gefahr von Wasserschäden berge. Ein gleichwohl erteilter Auftrag werde demgemäß nur unter erheblich erhöhten Kosten gegen Zeitaufwand und unter Ausschluss jeder Haftung übernommen, wobei zusätzlich bei jedem Versuch des Zählertauschs eine Sanitärfirma anwesend sein müsse.
25. Damit sei der Ausnahmetatbestand gem. § 11 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 1. Buchst. b) HeizkostenV gegeben ist, da das Anbringen neu geeichter Warmwasserzähler nicht bzw. nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten möglich sei, weshalb eine Erfassung und Abrechnung der Warmwasserkosten nach dem gemessenen Verbrauch von Warmwasserzählern nicht möglich sei.
26. Eine verbrauchsabhängige Abrechnung nach den Messwerten nicht geeichter Warmwasserzähler sei nach dem MessEG nicht zulässig.
27. Somit müsse auf die Regelung unter § 5 der Gemeinschaftsordnung der Beklagten vom 08.11.1967 zurückgegriffen werden, wonach die Umlage der Kosten des Warmwasserverbrauchs gemäß Zählerstandablesung zu erfolgen habe, und der Warmwasserverbrauch anhand der festgestellten Vorjahresverbräuche geschätzt werden.
…
Die Entscheidung
Ohne Erfolg! Das AG München entschied, dass die Verteilung der Kosten auf Grundlage einer Schätzung, die auf dem früher konkret ermittelten Verbrauch beruhen ordnungsgemäßer Verwaltung gem. § 18 Abs. 2 WEG entspricht.
Die vorhandenen Warmwasserzähler konnten aufgrund der abgelaufenen Eichfrist gem. § 37 Abs. 1 Nr. 1 MessEG nicht für die Verbrauchserfassung verwendet werden. Der Austausch der Warmwasserzähler sei im Übrigen mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden gewesen. Eine Ausnahme von der verbrauchsabhängigen Erfassung und Kostenverteilung hat das Gericht gem. § 11 Abs. 1 Nr. 1b HeizkostenV bejaht. Für einen Rückgriff auf den Verteilerschlüssel nach § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG fehlte dem Wohnungseigentümer das Rechtsschutzbedürfnis, da dieser Verteilerschlüssel zu einer höheren Nachforderung für ihn geführt hätte.
Siehe dazu auch
BGH, Urteil vom 16.09.2022 – V ZR 214/21
Quelle: AG München, Teilanerkenntnis- und Endurteil v. 19.05.2023 – 1290 C 12005/22
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