LG Berlin, Urteil v. 20.1.2015, 22 O 187/12
Wenn die Heiz und Warmwasserkosten Abrechnung fehlerhaft ist und die Frist gemäß § 556 (3) abgelaufen ist:
-
muss der Verwalter, Eigentümer und Vermieter die überzahlten Beträge erstatten
- gleichzeitig kann der Vermieter nicht mehr von anderen Mietern zu wenige gezahlten Beträge nachfordern
Für diesen Schaden haftet der Energiedienstleister, so das LG Berlin.
§ 556 (3)Vereinbarungen über Betriebskosten
„… Über die Vorauszahlungen für Betriebskosten ist jährlich abzurechnen; dabei ist der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Die Abrechnung ist dem Mieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen. Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung einer Nachforderung durch den Vermieter ausgeschlossen, es sei denn, der Vermieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten. Der Vermieter ist zu Teilabrechnungen nicht verpflichtet. Einwendungen gegen die Abrechnung hat der Mieter dem Vermieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Zugang der Abrechnung mitzuteilen. Nach Ablauf dieser Frist kann der Mieter Einwendungen nicht mehr geltend machen, es sei denn, der Mieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten.“
vorhergehend:
LG Berlin, 12.02.2013 – 22 O 187/12
„
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin zu 1. hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 584,08 Euro und die Klägerin zu 2. hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 59.581,80 Euro Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 BGB.
Die Beklagte hat ihre vertragliche Verpflichtung zur Erstellung einer verbrauchsabhängigen, ordnungsgemäßen Abrechnung bezüglich der Verteilung der Heiz- und Warmwasserkosten auf die einzelnen Wohnungseinheiten verletzt, in dem sie die
Zählerstände der Zähler „allgemein“ und „Warmwasser“ zusammengerechnet hat, obwohl der Warmwasserzähler dem Allgemeinzähler nachgeschaltet ist und die Zählerstände daher nicht hätten zusammengerechnet werden dürfen. Die Heiz- und Warmwasserkosten wurden den Wohnungen daher falsch zugeordnet – manchen zu hohe und manchen zu geringe Kosten. Die Beklagte hat die falschen Abrechnungen für die Jahre 2008 und 2009 inzwischen korrigiert. Aus dieser Korrektur ergeben sich Zuvielzahlungen von Mietern in der geltend gemachten Höhe. Insoweit ist von der Berechnung der Klägerin auszugehen. Denn die Beklagte hat die Berechnung der Klägerin nicht konkret bestritten, obwohl ihr dies aufgrund der von ihr gelegten neuen Abrechnung leicht möglich wäre (§ 138 ZPO).
Den Klägerinnen ist ein Schaden in Höhe dieser Zuvielzahlungen der Mieter entstanden, denn die gegenüber den anderen Mietern zuwenig berechneten Heizkosten in den Jahren 2008 und 2009 können die Klägerinnen nicht nachträglich durch eine Änderung der Betriebskostenabrechnungen geltend machen. Denn gemäß
§ 556 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BGB ist die Betriebskostenabrechnung dem Mieter spätestens bis zum Ablauf des 12. Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen. Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung einer Nachforderung durch den Vermieter ausgeschlossen, es sei denn, der Vermieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten. Die Klägerinnen hätten die verspätete Geltendmachung der Heiz- und Warmwasserkosten jedoch zu vertreten, denn sie haben sich das Verschulden der Beklagten als ihres Erfüllungsgehilfen gemäß § 278 BGB zurechnen zulassen (vgl. Lützenkirchen, Mietrecht, Kommentar, § 556 BGB, Rdnr. 649 f.). Die Mieter, die Zuvielzahlungen geleistet haben, können eine Rückzahlung dieser Zahlungen jedoch verlangen.
Zwar müssen Mieter grundsätzlich Einwendungen gegen die Abrechnung dem Vermieter spätestens bis zum Ablauf des 12. Monats nach Zugang der Abrechnung mitteilen. Nach Ablauf dieser Frist kann der Mieter Einwendungen nicht mehr geltend machen, es sei denn, der Mieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten (§ 556 Abs. 3 Sätze 5 und 6 BGB). Die Mieter der Klägerinnen hätten die verspätete Geltendmachung von Einwendungen gegen die Heiz- und Warmwasserkostenabrechnung nicht zu vertreten, denn die ursprüngliche Betriebskostenabrechnung enthielt Fehler, die durch bloße Prüfung und gegebenenfalls Vergleich mit dem Mietvertrag nicht erkennbar waren (vgl.: Schmidt-Futterer, Mietrecht, Großkommentar des Wohn- und Gewerberaummietrechts, 11. Aufl., § 556 BGB Rdnr. 500). Unverschuldet ist der Fristablauf für den Mieter z. B., wenn der Abrechnungsfehler unter Anwendung der üblichen Sorgfalt – nach Einsicht in die Belege – für ihn nicht erkennbar ist, z. B. bei Ablesefehlern des Versorgers (Lützenkirchen, a. a. O., Rdnr. 743). So liegt es hier. Für die Mieter war nicht erkennbar, dass die Beklagte die Daten zweier Messuhren fälschlicherweise addiert hatte, obwohl der eine Zähler ein Unterzähler war.
Darüber hinaus sind die Klägerinnen auch berechtigt, die Zuvielzahlungen der Mieter aus eigenem Antrieb auszugleichen – ohne dass ihre Mieter diesen Anspruch geltend machen würden. Es liegt im Interesse der Klägerinnen zu ihren Mietparteien ein vertrauensvolles Vertragsverhältnis zu führen. Dies wäre nicht gegeben, wenn – wie vorliegend – einige Mieter aufgrund einer falschen Abrechnung des Abrechnungsdienstes der Klägerinnen erhebliche Beträge bezahlen würden, ohne dass sie insoweit Leistungen in Anspruch genommen hätten.
Die Klägerinnen sind auch nicht lediglich auf einen Freistellungsanspruch gemäß § 257 BGB zu verweisen, denn es ist den Klägerinnen nicht zuzumuten, dass sie zunächst auf der Grundlage der neuen Abrechnungen der Beklagten neue Betriebskostenabrechnungen für ihre Mieter erstellen und dann nicht zeitnahe und ohne erneute Streitigkeiten über die Höhe des Rückzahlungsanspruchs Ausgleichszahlungen an ihre Mieter leisten. Das Ziel eines vertrauensvollen Vertragsverhältnisses ohne nachhaltige Störungen kann nur erreicht werden, wenn die Klägerinnen zeitnah mit Übersendung der korrigierten Rechnungen und ohne Aufforderung durch die Mieter die entsprechende Rückzahlung an die Mieter leisten. Das Interesse der Beklagten, keine Zahlungen an die Klägerinnen zu leisten, die nicht an die jeweiligen Mieter weitergeleitet werden, wird dadurch gewahrt, dass die Beklagte aus dem bestehenden Vertragsverhältnis gegenüber den Klägerinnen einen Anspruch auf Auskunft über die an die Mieter geleisteten Rückzahlungen hat.
Der Anspruch der Klägerinnen ist nicht verjährt. Die Klägerinnen haben den Zahlungsanspruch im Wege einer Stufenklage geltend gemacht. Der zunächst geltend gemachte Auskunftsanspruch ist nicht verjährt. Insoweit wird auf die Ausführungen auf Seite 9 des Teilurteils vom 12.02.2013 verwiesen.
Auch der jetzt geltend gemachte Zahlungsanspruch ist nicht verjährt, denn es ist nach Erlass des Versäumnisurteils vom 12.02.2013 nicht zum Stillstand des Verfahrens im Sinne des § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB gekommen. Die vorgenannte Regelung findet keine Anwendung, wenn für das Untätigbleiben des Berechtigten ein triftiger und für den anderen Teil erkennbarer Grund besteht (BGH, Urteil vom 27.01.1999 – XII ZR 113/97; Palandt-Ellenberger, Bürgerliches Gesetzbuch, 73. Aufl., § 204 Rdnr. 47). Vorliegend musste nach Rechtskraft des Teilurteils die Beklagte zunächst neue Abrechnungen fertigen. Auf der Grundlage dieser Abrechnungen mussten die Klägerinnen neue Betriebskostenabrechnungen für die einzelnen Wohnungen erstellen. Erst aufgrund dieser Betriebskostenabrechnungen konnte dann der Zahlungsanspruch beziffert werden. Dies alles war der Beklagten bekannt.
Die Klägerinnen haben auch Anspruch auf Erteilung der Auskunft der Dimensionierung der Wärmemengenzähler. Der Anspruch ergibt sich als Nebenanspruch aus der vertraglichen Beziehung der Parteien. Schon aufgrund der erfolgten erheblichen Falschabrechnungen besteht ein berechtigtes Interesse der Klägerinnen, die Geeignetheit des von der Beklagten verwendeten Abrechnungssystems überprüfen zu können. Aus der jetzt von der Beklagten eingereichten Anlage B 4 (Bl. 61 d. A.) ist – jedenfalls mit bloßem Auge – die Dimensionierung der Wärmemengenzähler nicht zu erkennen. …“
Quelle: Urteil Volltext http://www.ibr-online.de