Sind Stromkosten für eine Einrichtung zur Wärmerückgewinnung Betriebskosten?

Zur Wärmerückgewinnung OLG Frankfurt, Urteil vom 19.04.2018 – 2 U 57/17 (nicht rechtskräftig)

Die im Zuge der Verwendung einer Einrichtung zur Wärmerückgewinnung bei raumlufttechnischen Anlagen im Sinne des § 15 Abs. 5 EnergieeinsparungsVO anfallenden Stromkosten stellen sowohl nach nationalem Rechtsverständnis als auch im Wege einer richtlichtlinienkonformen bzw. -orientierten Auslegung der § 7 Abs. 2 HeizkostenV; § 2 Nr. 4 a BetrKV (RL 2012/27/EU; RL 2006/32/EG; RL 2010/31/EU) Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage in Form des Betriebsstroms dar.

Die gänzliche oder teilweise Beheizung des Gebäudes über eine Lüftungsheizung folgt aus dem Betrieb der zentralen Heizungsanlage gem. §§ 7 Abs. 2 HeizkostenV; 2 Nr. 4a BetrKV; das auch dann, wenn diese nur eine Mindesttemperatur herstellt und das Gebäude zudem über Heizkörper erwärmt wird.
Der durch eine Lüftungsheizung sowie eine Einrichtung zur Wärmerückgewinnung bei der Gebäudebe- und -entlüftung entstehende Verbrauch unterliegt gem. § 11 Abs. 1 Nr. 1 b HeizkostenV keiner Erfassungs- und Verteilungspflicht nach §§ 5, 6 HeizkostenV, so eine Regulierung der Temperatur durch die Nutzer nicht möglich oder eine Ausstattung unwirtschaftlich ist und hierüber Energieeinsparungen, die den Erfassungsaufwand übersteigen, nicht zu erwarten sind. Die anfallenden Kosten sind mangels abweichender Vereinbarung nach dem Flächenschlüssel zu verteilen, so das OLG Frankfurt.

Sachverhalt:

„Die Nebenkostenabrechnung der Beklagten vom 26.3.2014 für das Abrechnungsjahr 2013 weist eine Nachforderung zu Lasten der Klägerin in Höhe von 3.744,74 Euro aus, auf welche diese einen Anteil von 1.717,94 Euro nicht geleistet hat. In der Abrechnung enthalten sind zwei Positionen, die bezeichnet sind als „Heizung über Lüftung“, die sich einmal auf die Praxisräume (760,58 Euro) und zum anderen auf den Gemeinschaftsbereich 016/017 beziehen (686,36 Euro). Zudem enthält die Abrechnung für die jeweiligen Flächen eine weitere Positionen „Heizung“, einmal für die Praxisräume (2.961,49 Euro) und zum anderen für den Gemeinschaftsbereich (686,36 Euro); vgl. Bl. 281 d.A. Dem zugrunde liegt zunächst eine Gesamtabrechung u.a. der Heizkosten des Abrechnungsunternehmens vom 11.3.2014 (Bl. 620 d.A.), die einen Gesamtbetrag der für die Heizungsanlage entstandenen Kosten in Höhe von 80.103,06 Euro bei einer Gesamteinheitenzahl von 564.615,000 kWh aufweist. Im Nachfolgenden (Bl. 622 ff. d.A.) beinhaltet die Heizkostenabrechnung nach Nutzer aufgeteilte Einzelabrechnungen mit einer jeweiligen Umlage von 70% der Gesamtkosten nach den individuell verbrauchten Einheiten sowie von 30% nach der anteiligen Fläche. Diese Einzelabrechnungen sind in der Nebenkostenabrechnung für die Kläger unter „Heizung“ wiedergegeben.

Innerhalb der Einzelabrechnungen befindet sich auch eine separate Abrechnung „Lüftungszähler“, die bei Ansetzung von 302.598,000 kWh als Verbrauchseinheiten Kosten in Höhe von 35.760,96 Euro ausweist. Diese Kosten hat die Beklagte sodann eigenständig über die jeweiligen Verbrauchseinheiten der Wärmezähler der Lüftungsanlage auf die einzelnen Mieter als „Heizung über Lüftung“ umgelegt. Da es für die Kläger keinen separaten Wärmezähler gibt, wurden die für mehrere Einheiten („L3“) einheitlich erfassten Kosten des Wärmezählers der Lüftungsanlage von deren Gesamtfläche auf die Einzelflächen umgelegt, wobei die Kosten der Gemeinschaftsfläche wiederum halbiert wurden.
Die Abrechnung 2012 vom 26.6.2013 (Bl. 278 d.A.) weist einen Gesamtbetrag in Höhe von 3.243,01 Euro aus. Hierauf hat die Klägerin einen Anteil in Höhe von 2.139,60 Euro nicht geleistet. Die Heizkosten weisen Kosten für „Heizkosten über Lüftung“ in Höhe von 1.185,71 Euro sowie 706,42 Euro aus.“

Die Entscheidung:

  • Erfassungspflicht: Zwar ist die HeizkostenVO über die Voraussetzungen des § 1 HeizkV anwendbar. Die Beklagte hat für die Einheit der Klägerin, jedenfalls soweit es die Wärmezähler der Lüftungsanlage betrifft, entgegen §§ 4, 5 HeizkV auch kein separates Erfassungsgerät eingerichtet, da der erfassende Lüfter mehrere Einheiten zusammenfasst.
  • Schätzung: Die Beklagte war insoweit nicht befugt und somit auch nicht gehalten, eine Schätzung der Kosten nach § 9a HeizkV vorzunehmen. Denn das setzt voraus, dass der Vermieter Erfassungsgeräte eingerichtet hat, die Erfassung jedoch aufgrund eines Geräteausfalls unterbleibt, was vorliegend nicht gegeben ist. Auch das Tatbestandsmerkmal des anderen zwingenden Grunds bezieht sich auf Vorgänge, die eine Abrechnung trotz vorhandener Erfassungsgeräte verhindern (Lammel in Schmidt-Futterer 13. Aufl. 2017 § 9a Rn. 13 ff.; ders. Heizkostenverordnung Kommentar 4. Aufl. 2015 § 9a Rn. 6 ff.).
  • Nach dem Flächenmaßstab abrechnen: Es besteht vorliegend auch aus dem Grund kein Bedarf für eine Verbrauchserfassung der Heizungslüftung, da diese lediglich eine Mindesttemperatur von 18 Grad erzeugt. Die individuelle Verbrauchssteuerung erfolgt nach dem unstreitigen Beklagtenvortrag durch die jeweiligen Heizkörper, mit Hilfe derer die Nutzer die gewünschte höhere Temperatur herstellen können. Insoweit greift hier über die verbrauchsbezogene Abrechnung der von der HeizkostenVO bezweckte Steuerungs- und Energieeinsparungszweck.
  • Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Schadenersatz wegen vertragswidrig nicht verbrauchsbezogener Abrechnung entsprechend § 12 HeizkV in Höhe von 15% der Gesamtkosten (vgl. BGH WuM 2012, 316; ZMR 2012, 615), da eine vertragliche Pflicht zur verbrauchsbezogenen Abrechnung nicht besteht. Die Kosten der Lüftungsheizung sind damit vollständig umlegbar.

Eine Wärmerückgewinnungsanlage

Eine Wärmerückgewinnungsanlageüber die eine teilweise Erwärmung der über die Lüftung zugeführten Luft von der warmen Abluft erfolgt (Wärmerückgewinnung, VDI 3808 Blatt 5; Möller Energieeinsparungsgesetz Kommentar 1. Aufl. 2012 § 2 Rn. 7), dient dazu, die in der Abluft erhaltene Wärmemenge für die Erwärmung der Zuluft zu nutzen und somit Energieeinsparungen dadurch zu erreichen, dass der Energieverbrauch der Heizanlage über ein sonst erforderliches vollständiges Beheizen der Zuluft geringer ausfällt. Hierbei wird über ein Wärmetauschersystem die Wärmeenergie der Abluft mit Hilfe durch elektrische Energie betriebener Pumpen, die ein Heizmedium von der Abluft zur Zuluft transportieren, der einströmenden Außenluft teilweise zugeführt. Die Energie wird dazu aufgewandt, die Wärmenergie der Abluft zur Beheizung zu nutzen. Ohne Vorerwärmung der eindringenden Außenluft müsste von der Heizungsanlage mehr Heizwärme produziert werden, um die angestrebte Temperatur zu erhalten, was im Ergebnis einen höheren Energieaufwand erfordern würde.

„Bei der Verwendung einer Wärmerückgewinnungsanlage erbringt der Vermieter also zwei unterschiedliche Leistungen. Einerseits betreibt er eine zentrale Heizungsanlage, die dazu dient, das Gebäude mit ausreichend Wärme zu versorgen und somit für die Mieter einschließlich der Klägerin gemäß dem vertraglich vereinbarten Zweck nutzbar zu machen. Er erfüllt hierüber seine aus dem Mietvertrag resultierende Pflicht zur Wärmeversorgung. Das gilt, so keine abweichenden Abreden getroffen werden (und im Hinblick auf § 2 HeizkV getroffen werden können), auch für die Geschäftsraummiete, wenn der Vertragszweck dieses erfordert (BGH NJW 1991, 1750 [1753]; OLG München NZM 2001, 382 [382]; AG Hanau BeckRS 2014, 14592; Häublein in Münchener Kommentar zum BGB 7. Aufl. 2016 § 535 Rn. 76; Eisenschmid in Schmidt/Futterer Mietrecht 13. Aufl. 2017 § 535 Rn. 388; Zehelein in BeckOK BGB, Bamberger/Roth/Hau/Poseck 44. Edition Stand: 1.11.2017§ 535 Rn. 502 f.). Die Beheizung kann hierbei auch über eine Lüftungsheizung erfolgen, wenn die durch die Heizanlage erzeugte Wärme insgesamt oder jedenfalls anteilig über diese in die Mietsache eingeführt wird. Das somit auch, wenn zusätzlich Heizkörper vorhanden sind, da die Erwärmung des Gebäudes auch parallel auf unterschiedlichen Wegen erfolgen kann. Es handelt insgesamt um Heizkosten iSd. §§ 2 Nr. 4a, 7 Abs. 2 HeizkV.

Zum anderen stellt der Vermieter über die Lüftungsanlage die ausreichende Belüftung der Mietsache her, nutzt diese jedoch zugleich für die Gebäudebeheizung. Dabei kann im Zuge der Nutzung und Beheizung von Gebäuden die Verwendung der Heizungsanlage einerseits, sowie von Lüftungsanlagen, Lüftungsheizungen und einer Wärmerückgewinnungsanlage andererseits nicht ohne weiteres getrennt werden. Denn ab einer gewissen Raumgröße kann die Be- und Entlüftung, deren Erforderlichkeit u.a. in § 6 Abs. 2 EnEV niedergeschrieben ist, nicht mehr über die Fenster bzw. den normalen Luftaustausch erfolgen. Es bedarf vielmehr eines Luftaustausches über eine Lüftungsanlage. Zugleich ist zu sehen, dass auch die Beheizbarkeit von Räumen ab einer bestimmten Größe gerade zur Mitte hin nicht mehr über an den Seitenwänden angebrachte Heizkörper möglich ist. Eine gleichmäßige Erwärmung der Raumluft kann nur über die zusätzliche Verwendung der Lüftungsheizung erfolgen. Weiterhin ist bei der Verwendung von Lüftungsanlagen für einen Volumenstrom der Zuluft von mindestens 4000 ³/h die Einrichtung einer Wärmerückgewinnungsanlage gem. § 15 Abs. 5 EnEV vorgeschrieben, um die hiermit einhergehenden Energieeinsparungen gegenüber einer ausschließlichen Direktbeheizung durch die Heizungsanlage zu erzielen. Bei der Planung der für das Gebäude erforderlichen Heizungsanlage wird (allerdings nicht auf die notwendigen Vorgaben nach der Energieeinsparungsverordnung begrenzt) bereits der über die Wärmerückgewinnungsanlage zu erbringende Anteil der Gebäudeerwärmung berücksichtigt (DIN EN 12831 – Heizungsanlagen in Gebäuden – Verfahren zur Berechnung der Norm-Heizlast). Eine Erwärmung in dem angestrebten Umfang ist daher ohne deren Verwendung nicht möglich. Bei raumlufttechnischen Anlagen verwendete Wärmerückgewinnungsanlagen sind somit unmittelbar mit dem Gesamtkonzept der Gebäudebeheizung verbunden und unterfallen dem Betrieb der zentralen Heizanlage iSd. §§ 2 Nr. 4a BetrkV/7 Abs. 2 HeizkV. Der hierbei verwendete Strom zum Betrieb der Pumpen, über die die Wärme der nach außen strömenden Luft auf die Zuluft übertragen wird, ist Teil des Betriebsstroms. Diesem unterfällt nicht nur derjenige Strom, über den die Anlage selbst betrieben wird, welche die Wärme erzeugt. Ebenso erfasst sind die die bereits erzeugte Wärme (Warmwasser) verteilenden Geräte bzw. Nebenaggregate, wie etwa auch die Umwälzpumpen (Lammel Heizkostenverordnung Kommentar 4. Aufl. 2015 § 7 Rn. 90; Pfeifer in Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender 210. Erg.-Lief. Februar 2016 § 7 HeizkV Seite 87; Kreuzberg/Wien, HdB Heizkostenabrechnung, 8. Aufl. 2013, S. 69). Eine Wärmerückgewinnungsanlage dient in gleicher Weise der Verteilung der Wärme, indem sie diese durch Übertragung der einströmenden Außenluft zuführt. Der Betriebsstrom ist nicht auf die Verbringung der von der Heizungsanlage erzeugten Wärme bzw. des Heizwassers zu den Nutzern beschränkt, sondern umfassend zu verstehen dahingehen, dass die erzeugte Wärme dem Gebäudeinneren zugeführt wird und dieses erwärmt.“so das OLG Frankfurt.

vorhergehend:
LG Frankfurt/Main, 30.03.2017 – 2-13 O 46/13

Hinweis: Nächster Seminartermin

Quelle:Entscheidung im Volltext